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Strassentierhilfe Türkei

Interview mit Frau
Annemarie Özdemir

Was hat Sie dazu bewogen, gerade in der Türkei eine Strassentierhilfe zu eröffnen?
Als ich vor 30 Jahren mit meinem Mann das erste Mal im Landesinneren der Türkei war und die vielen halb verhungerten, verletzten und kranken Katzen und Hunde auf der Strasse sah und miterleben musste, wie brutal und herzlos mit ihnen umgegangen wird, da wusste ich: Dafür will ich leben. Diesen Tieren möchte ich helfen, soweit das mir als Privatperson möglich ist. Unterdessen bin ich seit 10 Jahren geschieden, denn leider war mein Mann mit meiner Tierschutzarbeit nicht mehr einverstanden, und ich musste mich entscheiden: Entweder meine Ehe, oder ein Leben für die Tiere. Ich habe auf die Stimme meines Herzens gehört und mich für die Tiere entschieden.

Waren Sie die einzige Initiatorin in diesem Land?
Aus der Schweiz ja, und ich bin es immer noch. Wie reagieren die Einheimischen auf Ihre Institution? Die Reaktionen sind nicht freundlich, denn Tiere haben keinen Stellenwert in diesem Land. Wo liegt das Tiergrundstück „Arche Noah“ von Zinet und Mehmet? In Burdur. In der Türkei lernte ich diese zwei Gleichgesinnten kennen, welche die Augen vor dem Elend ebenfalls nicht verschliessen wollten. Sie willigten ein, mich bei meinem Vorhaben zu unterstützen und halfen beim Aufbau des Tierhilfs-Projekts „Arche Noah“ mit. Das sehr abgelegene, 2‘000 m2 grosse Grundstück der „Arche Noah“ ist durch 2,5m hohe Mauern geschützt, damit die Tiere nicht vergiftet, angeschossen oder anderswie gequält werden können. Dort leben zurzeit rund 150 Katzen und 40 Hunde, die von Zinet und Mehmet das ganze Jahr über betreut werden. Die Tiere sind bei ihnen in Sicherheit. In Isparta gibt es ebenfalls ein Katzenhaus, wo eine weitere Kollegin rund 80 Tiere umsorgt. Ich möchte mich hier aber auf das Tierhilfs-Projekt in Burdur beschränken, damit es kein Durcheinander gibt.

Wer führt diese Tierheime?
Unser „Arche Noah“ Tierhilfs-Projekt wird vom Ehepaar Zinet und Mehmet geführt. Sie sind 365 Tage im Jahr unentgeltlich für die Tiere da und betreuen sie liebevoll. Es ist unvorstellbar, was die gute Frau Zinet täglich leistet und dabei immer zufrieden und ruhig bleibt, egal, was passiert! Diese beiden bescheidenen Menschen leben von ihrer Rente von umgerechnet circa 400 Franken monatlich. Für sie reicht das gerade, aber für die Tiere können sie nicht auch noch aufkommen. Doch nur mit ihren warmen Herzen, dem Fleiss und Mitgefühl für die Tiere könnten sie kein Futter kaufen und keine Kastrationen bezahlen. Für alles Finanzielle der Tiere komme ich auf und bin immerzu dabei, das notwendige Geld mühsam, besonders mit dem Schreiben meiner Tierschutzbriefe, zu erbetteln. Mit den monatlich 1‘500 Franken, die ich „zusammenrackere“ sind auch die Medikamente, die tierärztliche Versorgung und das teure Benzin gedeckt. Wie oft besuchen Sie selbst diese Tierheime? Jedes Jahr im September bin ich zwei Wochen dort und packe mit an. Länger halte ich das Tierleid und die Grausamkeiten dort nicht aus.

Wie viele Tiere werden pro Jahr durch die zwei Heime aufgenommen?
In Burdur leben rund 150 gerettete Katzen und 40 Hunde und täglich werden auch noch viele Strassentiere auswärts gefüttert, damit sie nicht verhungern und verdursten müssen. Da die Tiere oftmals in einem äusserst desolaten Zustand aufgelesen werden, sterben viele und somit gibt es wieder Platz für andere arme Seelen. Doch es werden halt schon immer mehr Lebewesen, obwohl man bloss Notfälle annimmt!

Werden auch andere Tiere ausser Katzen aufgenommen und wenn ja, welche?
Ja, es werden auch Hunde aufgenommen.

Wie viele der aufgenommenen Tiere werden später an Tierfreunde vermittelt?
In der Türkei ist es unmöglich, Tiere zu vermitteln. Dieses immense Tierelend entsteht ja gerade aus der Verantwortungslosigkeit der Leute. Früher oder später landet dort jedes Tier auf der Strasse, auch wenn es einige Zeit einen Besitzer hatte. Die herzlosen Leute entsorgen die Tiere auch in den fürchterlichen staatlichen Tierheimen, wo jedes Tier es vorziehen würde, auf der Strasse elendiglich zu verenden, als dort unter diesen entsetzlichen Bedingungen eingesperrt dahinvegetieren zu müssen!

Wie hoch ist der Futterverbrauch pro Jahr für das Tierheim in Burdur?
Zinet und Mehmet in Burdur brauchen monatlich 50 Säcke à 15 kg Trockenfutter, das sind im Monat total 750 kg. Dazu kommen das Nassfutter für die Hunde und Katzen und die Fleischknochen für die Hunde. Der komplette jährliche Futterbedarf für die Tiere liegt bei rund 19‘000 kg Futter. Katzenstreu braucht es pro Jahr circa 60 Säcke für die Katzen mit einem Handicap, die keinen Freigang haben.
1 Sack à 15 kg türkisches micho Katzentrockenfutter kostet rund 30 Franken. Eine Futterlieferung von 500 kg kostet 1‘100 Franken, je nach Kurswährung.
Futter ist teuer, und in Burdur selbst spendet niemand Geld für Tiere. Dafür werden trotz der abgeschiedenen Lage der „Arche Noah“ regelmässig Kartonschachteln mit halbtoten Katzen vor dem Tor abgelegt und Zinet und Mehmet werden angerufen und gebeten, an dieser oder jener Stelle eine angefahrene, schwer verletzte Katze oder einen Hund auf der Strasse abzuholen! Leider werden die Tiere nicht kastriert, die Welpen werden dann jeweils wie Müll entsorgt! Bloss Geld gibt uns dafür niemand!

Werden diese Tierheime auch von Tierärzten unterstützt?
Nein, es arbeitet kein Tierarzt, ohne dafür Geld zu bekommen. Kastrationen von Katern und Kätzinnen kosten in Burdur denselben Preis. Da ich den teuren, selbstauflösenden Kastrationsfaden stets aus der Schweiz mitbringe, kosten für uns die Katzenkastrationen in Burdur nur 50 TL (=Türkische Lira). Sonst wäre der Preis 350 TL, umgerechnet etwa 60 Franken. Für die Hunde kostet es entsprechend mehr. Die Kastrationen sind ungeheuer wichtig, auch in der Schweiz, denn auch hier gibt es grosses Katzenelend und verantwortungslose Besitzer, die ihre Tiere nicht kastrieren lassen. Damit wird unnötiges Leid gefördert!

Kommen die Tierärzte ins Heim, oder müssen die Tiere zum Tierarzt gebracht werden?
Die Tierärzte kommen nicht aufs Grundstück, man muss die Tiere hinbringen. Gibt es noch andere Organisationen in der Türkei, die sich um Strassentiere kümmern? Von deutschen Tierschützern wird viel getan. Ich bin gut vernetzt mit den Tierfreunden Antalya, Wilfried und Ayhan, bei denen ich jedes Jahr zwei Tage verbringe. Ich kann dann jeweils gegen Bezahlung einen besonders schlimmen Tiernotfall hinbringen. Sie sorgen laufend dafür, dass Hunde mit den notwendigen Papieren ausgestattet in ein gutes neues Zuhause nach Deutschland ausgeflogen werden können.

Unterstützt der türkische Staat die Tierheime, und wenn ja, in welcher Form?
Oh nein, bei der Tierhaltung herrschen staatlich unterstützte Zustände, wie es sie im 21. Jahrhundert nicht mehr geben sollte und dürfte. So werden stets Lastwagen voller Hunde an abgelegene Orte, zum Beispiel auch in die Taurus-Berge gefahren, wo man sie aussetzt. Sie sterben dann an Hunger, und das ist furchtbar! Ausserdem ist es in der Türkei seit 30 Jahren so, dass die Bürger die Stadtverwaltung anrufen können, wenn sich Strassenhunde in der Umgebung aufhalten. Das wird oft genutzt, auch wenn es sich um friedliche Hunde handelt, die niemandem etwas zuleide tun, und es ist ein Dienst, der so gut klappt wie sonst nichts dort! Nach einem Anruf kommen umgehend die staatlichen Hundefänger und fangen die Hunde mit Schlingen ein. Sie würgen die Tiere bis zur Bewusstlosigkeit und werfen sie in ihre Spezial-Fahrzeuge. Die armen Tiere landen dann in diesen grausamen, staatlichen Tierheimen. Ich war kürzlich auf der Strasse, als die Hundefänger im Einsatz waren. Diese Szenen vergisst man im ganzen Leben nie mehr!

Können Sie unseren Lesern etwas über die Spendenaufteilung erzählen?
Das meiste Geld geht fürs Futter weg und für die nicht enden wollenden Kastrationen. Die Kastrationen sind ungeheuer wichtig; übrigens auch in der Schweiz, damit Tiere gar nicht erst fürs Leiden geboren werden. Medikamente sind teuer, und auch die tierärztliche Versorgung kostet viel. Das „Arche Noah“ Tierhilfs- Projekt kostet jährlich bloss fürs Notwendigste 24‘000 Franken!

Frau Özdemir, wir danken Ihnen herzlich für dieses Interview und wünsche Ihnen und Ihrem Tierhilfs-Projekt alles Gute!

Pro animali wird das Tierheim in der Türkei in den nächsten drei Jahren finanziell unterstützen.

Adresse:

pro animali
mit Fachgruppe Pelztiere
3000 Bern

Spende Konto:  PC 30-3933-7

Korrespondenz via Mail:
tierschutz@proanimali.ch

pro animali Katzenheim
Müliholzstrasse 18
3203 Mühleberg

Tel. 031 751 10 00

Öffnungszeiten:
Montag bis Samstag
08:00 – 10:00 / 15:00 – 16:00